{Nadelbrief} Drei Mal Schwarz-Weiß

Ich bin gerade ein bisschen am Aufholen bei den Nadelbriefen! Heute zeige ich gleich drei Nadelbriefchen, die hintereinander mit dem Grundtenor „Schwarz-Weiß“ entstanden sind. Mit jeweils kleinem (oder größerem) Farbtupfer.

Endlich nehme ich mir wieder Zeit zum Werkeln! Und so ein Nadelbriefchen ist so ein feines, kleines Projekt. Macht total Spaß.

Woche 37: Pleasantville

Im Zentrum des Spielfilms Pleasantville steht David, ein junger Mann, der in eine Sitcom der 1950er-Jahre vernarrt ist. Sie spielt in der heilen, schwarz-weißen Welt von „Pleasantville“. Alle sind immer fröhlich, höflich und nett. David ist brav, zurückhaltend und angepasst, seine Schwester Jennifer hingegen nicht interessiert an der Schule, dagegen viel mehr an Jungs. Die Geschwister werden eines Abends in die Welt von Pleasantville „gebeamt“, in die Rollen von zwei Jugendlichen in einer der biederen Familien.

Das ist der Start der Verwandlung. Die Jugendlichen halten sich bald nicht mehr an die strengen moralischen Regeln von Pleasantville, bringen Emotionen und Leidenschaft in die heile aber beschränkte Welt und stellen damit alles auf den Kopf. Pleasantville wandelt sich von schwarz-weiß zu bunt.

Ich kannte den Film vorher nicht, habe ihn mir aber für dieses Nadelbriefchen angesehen. Vor allem die Entwicklung der Hauptprotagonisten (David, Jennifer und ihre „Mutter“) fand ich berührend. Mein Nadelbrief ist mitten am Weg der Wandlung von schwarz-weiß zu knallbunt.

Dafür hatte ich ein genau passendes Reststück eines Stoffes, den ich mal geschenkt bekommen habe: Schwarz-weiße Blümchen mit einem großflächigen bunten Druck drüber.

Ein Stoffrest diente als passende Grundlage.

Darauf wollte ich etwas sticken: Einen Wurlitzer? Ein Petticoat-Kleid? Einen roten Kussmund? Ich habe befürchtet, dass roten Lippen mir nicht gelingen würden und habe mich daher für eine rote Rose entschieden. (Rosen spielen auch im Film eine Rolle.) Die wollte ich gerne dreidimensional sticken. Eine Methode wäre die Bänderstickerei gewesen, wie sie Sabine von Petersilie & Co gezeigt hat. Möchte ich unbedingt mal ausprobieren, nur fehlt mir dazu gerade das Material.

Auf Pinterest wurde ich dann fündig: „Brasilianische Stickerei“ ist dreidimensional und wird vorwiegend für Pflanzen-Stickereien verwendet. Dazu gibt es ein viertelstündiges Video, das Schritt für Schritt im Detail zeigt, wie das geht. Dem bin ich gefolgt, und dann war das eigentlich gar nicht schwer. Nur relativ langwierig (4 Stunden für die Stickerei), und es verschlingt auch ziemlich viel Stickgarn! Meine Reste in Dunkelrot und Dunkelgrün haben gerade so gereicht, zum Glück.

Für diese Technik braucht man sehr lange Sticknadeln, bei denen das Auge der Nadel gleich dick ist wie der Schaft. Der Arbeitsfaden wird nämlich mehrmals um die Nadel herumgewickelt und dann durchgezogen. Weil bei gewöhnlichen Sticknadeln das Auge dicker ist als der Schaft, kommt man damit dann einfach nicht durch. Auf Englisch heißen diese Nadeln „milliner needles“, zu Deutsch „Modistennadeln“ oder „Strohnadeln“. Die habe ich also im Kurzwarengeschäft meines Vertrauens bestellt.

Gestickt habe ich mit Baumwoll-Sticktwist: Blätter und Stiele mit 3 Fäden grün (Blätter: Fischgrät Stich, Stiele: Kettstich). Die Rose mit Bouillon Stich mit 4 Fäden rot. Den Sticktwist 6-fädig zu belassen (also nicht zu teilen) wäre besser gewesen, dann wäre die Rose schneller gewachsen. Aber dazu hätte ich größere Nadeln mit größeren Öhren gebraucht, und auch mehr Sticktwist.

Innen habe ich das Nadelbriefchen ergänzt mit Filz in schwarz und weiß, sowie diesmal mit einem blutroten Bindeband, passend zur Rose, als Verschluss.

Woche 39: Scherenschnitt

Scherenschnitt: Das sind für mich unfassbar zarte, filigrane Papierstücke, die mit ruhiger Hand in stundenlanger Kleinstarbeit aus einem Stück Papier geschnitten wurden. Eine große Kunst, die ich sehr bewundere, auch wenn die Motive häufig sehr romantisierend-bieder daherkommen. (Vor zwei Jahren durfte ich einer Scherenschnitt-Künstlerin beim Textilkunstmarkt in Horn über die Schulter schauen: Marianne Hebenstreit bevorzugt modernere Motive, die mir ausnehmend gut gefallen.)

Ich bewundere die hohe Kunst. Aber wie das Papier auf den Nadelbrief bekommen? Und welches Motiv? Da ich gerade ein äußerst spannendes Wald-Sachbuch lese (Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume) und auch wegen dem Oberförster von Letztens, lag ein Wald-Motiv nahe: Zwei Eichhörnchen, die auf Baumstümpfen sitzen. Das Motiv habe ich als Datei höchstselbst um teures Geld erworben.

Der Plotter hat nur die Oberfläche des Kartons geritzt.

Es widerspricht dem Prinzip des Scherenschnittes – dem Handgemachten nämlich – , dass ich  faulerweise meinem Plotter das Schneiden überlassen wollte.

Öhm.

Hat eh nicht funktioniert. Ich hatte die Schnitt-Tiefe nicht richtig eingestellt, sodass der Plotter das Motiv auf dem schwarzen Karton nur vor-geritzt hat. Das war wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl. So kam ich doch in den Genuss einer ausführlichen händischen Schneide-Session mit einer kleinen Papierschere.

Außen ist der Scherenschnitt zwischen zwei Lagen selbstklebende Folie gefasst.

Das fertige Papier-Motiv habe ich zwischen zwei Lagen selbstklebende Einbindefolie fixiert, um das Papier vor dem Verknittern und Nasswerden zu schützen. Das Sandwich habe ich dann einfach entlang der Außenkante aufs Nadelbriefchen gesteppt.

Innen: Ein Rest weißes Tischtuch mit eingewebten Pünktchen, weißer Filz, eine Mini-Deko-Schere.

Innen ergänzt mit weißem Stoff und einer Mini-Deko-Schere aus meinem Tüdelüt-Fundus. Schlicht, schön, effektiv.

Woche 40: Kalligraphie

Für die Kalligraphie schließlich habe ich meine Spitzfeder und die Tinte wieder hervorgeholt, die seit meinem Kurs im Frühjahr 2018 unbenutzt im Schrank lagen. Ich wollte ausgiebig üben und wiederholen. Aus irgendeinen Grund hat aber die Feder unheimlich geschmiert bzw. tropfenweise Tinte verloren. Jetzt weiß ich nicht, ob die Feder kaputt ist oder die Tinte verdorben, oder beides?

Missglückte, verschmierte Schreibversuche.

Meine Lösung war dann, einen Text vom letzten Jahr zu verwenden. Ich habe ihn eingescannt, auf Transparentpapier (wie man es zum Geometisch Zeichnen verwendet) ausgedruckt, und mit einigen Stichen an den vier Ecken und im Bruch fixiert. Das Transparentpapier beult sich zwar jetzt ein bisschen, wenn das Nadelbriefchen offen da liegt, liegt aber im geschlossenen Zustand glatt.

Nadelbriefchen „Kalligraphie“ – Außenseite

Dieser Begriff „serendipity“, der sich nur unzureichend mit „glücklicher Zufall“ übersetzen lässt, gefällt mir unheimlicht gut und beschäftigt mich schon seit Längerem. Immer wieder. Den brauche ich noch auf einem T-Shirt, glaub ich.

Für innen – welch genialer Zufall! – hatte ich noch einen mit (unleserlicher) Handschrift bedruckten Stoff im Vorrat, und die hellgrünen Bändchen zum Zubinden haben sich auch geradezu aufgedrängt. Das war nämlich einer dieser glücklichen Zufälle, dass sie mir ins Auge gesprungen sind.

Nadelbriefchen „Kalligraphie“ – Innenseite

Wohooou! Da hatte ich echt einen Lauf!

Voll motiviert gehe ich ins restliche Nadelbrief-Jahr bei Susanne Nahtlust. Wie steht’s um Eure Nadelbrief-Pläne?

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Das große nahtlust Nadelbrief-Jahr 2019
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14 Kommentare zu „{Nadelbrief} Drei Mal Schwarz-Weiß“

  1. WAHNSINN soo schön die Rose! Hättest du nicht die Zeit dazu geschrieben, wie lange es dauert, ich hätte es vielleicht selbst probiert, aber dafür bräuchte ich wohl einen kinderfreien Tag 😉

    LG Karin

    1. Schwiegermutter, eigene Mutter, Opa, Bekannte, Freundin etc. engagieren, Kinder auslagern und: Lossticken! 😉 Wenn Du es willst, findest du sicher einen Weg! lg, Gabi

  2. Die Blüte aus brasilianischer Stickerei ist grossartig. Die Technik muss ich auch unbedingt mal ausprobieren. Ich habe zwar schon öfters Beispiele gesehen, aber die waren bisher nicht sonderlich überzeugend.

    Der Scherenschnitt Nadelbrief mit den beiden Eichhörnchen einfach nur süss. Und beim Nadelbrief Kalligraphie fand ich mich gleich wieder in den Schriftzug gereicht zurückversetzt. Nach quälend vielen Stunden Capitalism Quadrats und der sehr entspannt zu schreibenden Karolingischen Minuskel, war die letzte Schrift, die gelernt wurde die Engz Schreibschrift. Woran es liegt, das es mit dem Schreiben gar nicht klappt kann ich dir nicht beantworten. Ich weiss nur noch, dass ich eine alte Spitze meines Vaters verwendete, die war einfach grossartig zum Schreiben. Und dann brach eine der beiden Spitzen ab und keine der anderen Spitzen ob alt oder neu, kam an diese Federspitze ran. Beim Papier war es gleich, das alte gab es nicht mehr und das neue war von der Oberfläche einfach anders und nicht so gut, da glitt/kratze die Feder nicht so gut darüber.
    LG Sabine

    1. Ein „Großartig“ von Dir als Stick-Enthusiastin ist ein wundervolles Kompliment, danke Dir! Bei Federn und Papier gibt es eine unglaubliche Bandbreite, das habe ich beim Kalligraphie-Kurs letztes Jahr am Rand mitbekommen. Feder, Tinte und Papier müssen gut aufeinander abgestimmt sein, damit die Feder übers Papier gleitet und das Schreiben zum Genuss wird. Ich habe erst an der Oberfläche gekratzt, da gibt es noch unglaublich viel zu lernen. Wie bei jedem neuen Thema, das sich für mich auftut. 😉 lg, Gabi

  3. Liebe Gabi,
    das sind ja wunderschöne Nadelbriefchen. Einfach tolle Umsetzungen. Muss immer mal wieder alles betrachten. So viele schöne Ideen. Die Rose ist super geworden. Da wiürde ich mich nicht rantrauen.
    Liebe Grüße
    Monika

    1. „Nicht rantrauen“? Wieso nicht? Trau Dich, es ist nur Stoff und Faden! Ich hatte anfangs auch einen Knopf im Hirn, aber im genannten Video wird das so toll gezeigt, da kann eigentlich gar nichts schiefgehen. lg, Gabi

  4. Hi Gabi, was für großartige Nadelbriefchen du wieder genäht hast! Da ist wirklich eins schöner als das andere. So tolle Ideen, die du einfallsreich und gekonnt umgesetzt hast. Ich kann echt sehen wie viel Spaß dir das macht, dich neuen Herausforderung zu stellen. Die Sticktechnik für die Rose ist sehr interessant, Hut ab, dass du so viel Geduld aufbringst – das Ergebnis ist Spitze. Übrigens ist Pleasantville einer meiner Lieblingsfilme.
    LG eSTe

  5. Also Gabi, wo fange ich da an … am besten vorn. Ich ziehe den Hut vor deinen Stickkünsten, wow und diese Umsetzung des Themas beeindruckt mich sehr! Nur, also, ach als du Wurlitzer geschrieben hast, dachte ich yeah, was für ein schönes Thema für … ach lieber größer, sagen wir mal Buchhülle :-). Und dann Scherenschnitt, liebe ich, bewundere ich und das Motto ist toll (lustig ich lese auch gerade das Waldbuch – hab ich für das Kind gekauft), das ist dir sehr gut gelungen … da war ich von dem Post schon sehr begeistert, aber dann … Kaligraphie finde ich einfach wunderschön und dann dieses Wort … ich habe in den letzten Wochen so viele Gespräche geführt über die Zukunft in meinem Beruf, grundsätzlich, bei uns konkret, für mich … und erst heute gesagt, dass ich jetzt das tue, was sich in meinem Leben für mich persönlich bewährt, nämlich die Dinge kommen zu lassen, drüberzustolpern wenn sie da liegen und sie dann aufheben. DAS Wort trifft es … darf ich mir das auch wo draufdrucken, oder gibt es da ein Copyright? Übersetzen würde ich es mit „glückliche Fügung“ … Ach ich sitze hier gerade sehr selig … ganz liebe Grüße Ingrid

    1. Danke Dir, liebe Ingrid! Vom Waldbuch kommt jetzt bald auch eine Verfilmung ins Kino, die muss ich mir UNBEDINGT anschauen. Bin gerade total fasziniert von dem Thema Ökosystem Wald. Ich denke schon, dass Du Dir „serendipity“ irgendwo draufdrucken kannst, es ist einfach ein Wort. Findet man wahrscheinlich in jedem gewöhnlichen Wörterbuch. Keine Ahnung ob Dich der Wörterbuchverlag dafür klagen würde? Oder mich? Das Risiko gehe ich ein, das Wort bzw. die Idee dahinter ist einfach zu cool. Du bist ganz selig, ach wie schön. Liebste Grüße, Gabi

  6. Mega, da hattest du einen Superlauf, liebe Gabi, und ich scrolle durch und staune und erfreue mich an deinem Werkeln und deiner Kreativität! Wahnsinn. Also mit der Pleasantville-Umsetzung hattest du mich direkt. Nein, was ist das schön geworden! Das ist richtig was fürs Auge, und so gekonnt umgesetzt mit den Stichen und der Rose. Mega! Dass der Plotter nicht mitmachen wollte, ist wirklich der Wink gewesen 🙂 Dabei gibt es wirklich so tolle Plotter-Motive, aber noch viel schöner und ehrenvoller ist nun dein Handwerk! Und die Kalligraphie….tja, dazu kann ich auch nur sagen, dass ich mich niemals in die Ebene der Exaktheit begeben werde – vermutlich in keinem Bereich, räusper. Deine Lösung mit Transparent und Stoff finde ich sehr gelungen udn ist bestimmt auch haptisch eine tolle Abwechlsung! Also dann mal weiter so – die Aufholjagd ist bei dir längst eingeläutet :-)) LG. susanne

    1. Oh danke, danke, danke für Dein Feedback, du Großmeisterin des Nadelbriefs! Ich bin auch ganz glücklich mit der Rose, und dass ich mich wirklich hingesetzt habe und diese Technik ausprobiert. Hat schon eine Weile gedauert, mir ganz bewusst und freudig die Zeit dafür zu nehmen. Macht mich im Nachhinein dann immer mega-glücklich und auch stolz, wenn etwas so gut gelungen ist. Mit dem Transparentpapier auf Stoff beim Kalligraphie-Briefchen bin ich etwas unentschlossen. Ich weiß nicht, ob sich das auf Dauer bei Benutzung bewähren würde, aber das muss man wahrscheinlich einfach auch rausfinden. Ich dachte, ich probier einfch mal mixed media aus, mit Papier und Stoff. Ach, es macht grade wieder so viel Spaß, ich komme in den wöchentlichen Rhythmus, ich freu mich! lg, Gabi

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