{Nadelbrief} Woche 38: Oberförster

Ein blutiger Hirsch und die grauen Borsten eines Rauhhaardackels prägen mein Bild vom Oberförster. (Richtig: Ich habe die Teilnahme am Nadelbrief-Jahr noch nicht aufgegeben!)

Der Nachbar schräg gegenüber meines Elternhauses war Oberförster. Sein Einfamilienhaus war und ist – wie es sich für einen Oberförster im Pinzgau (Land Salzburg) gehört – geziert mit Hirschgeweihen auf der Holzverschalung unter dem Dachfirst. Auch die Fassade des Nachbarn nebenan, der ebenfalls Jäger ist, wird geziert von „Krickerl“.

Warum man sich ausgestopfte Tiere oder Teile von toten Tieren an die Wand hängt (innen oder außen am Haus, egal), war mir immer schon schleierhaft. Auf meinem Nadelbrief greifen ein Hirschhornknopf außen und der blutig-rot gestickte Hirsch innen diesen Aspekt des „Oberförsters“ auf.

Die Oberförsters hielten jahrelang Rauhaardackel, einer davon war der „Lumpi“. Als Volksschulkind bin ich häufig und gerne mit ihm in der Siedlung spazieren gegangen. (Damals – in den 1970ern – noch ohne Hundekotsackerl, heute nicht mehr auszudenken!) Bis zu dem Tag, als ich mich wie gewohnt zu ihm hinunterbeugte, um ihn zur Begrüßung zu streicheln, und mich der liebe Lumpi angesprungen und in den Brustkorb gebissen hat. Seitdem mag ich keine Hunde.

Ich hätte gerne – dem Lumpi „zu Ehren“ – ein Stück borstig-rauhes Fell für die Außenseite meines Nadelbriefchens verwendet. In Ermangelung dessen wurde die Außenseite zumindest grau (ein feiner Anzug-Wollstoff aus meinen Beständen vom Schneidermeister Eder), und ich konnte das allerletzte Restchen eines Reststücks mit silbernem Waldprint einbauen.

Innen herrscht eine Waldfarbe: ein dunkelgrünes Brokatgewebe. Konservativ-mondän. Insgesamt fällt mir erst jetzt auf, dass mein Nadelbrief sich im Farbspektrum eines klassischen „Steireranzugs“ bewegt: Grau mit grün und Hirschhornknöpfen.

Der blutige Hirsch in Stielstich hat sich aufgedrängt. Er war auch inspiriert vom Stoffmuster, das man als stilisieres Geweih deuten könnte.

Stoffmuster: ein stilisiertes Geweih?

Habt Ihr gewusst, dass in der Oberschicht die Jagd als Sportart immer beliebter/ wieder beliebt wird? In Österreich haben wir sogar extra ein Magazin für die jagende Frau. Ich fühle mich sehr weit weg von dieser Welt.

Und damit steige ich nach Wochen endlich wieder in die Nadelbrief-Aktion ein! Bis zum Jahresende ist es ja nicht mehr allzu lang. Bin gespannt, ob ich zusätzlich zu den neuen Themen der kommenden Wochen auch einige der alten Themen aufholen kann. Ideen hätte ich in den letzten Wochen und Monaten genug gehabt, einige angefangene Nadelbriefchen, die aus unterschiedlichsten Gründen (meist Zeitmangel und/oder andere Prioritäten) noch nicht fertig geworden sind, liegen in meiner Nadelbrief-Kiste. Mal sehen, was sich noch ausgeht.

Mal schauen, was die anderen Teilnehmerinnen der Nadelbrief-Aktion in der Zwischenzeit fabriziert haben.

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Das große nahtlust Nadelbrief-Jahr 2019
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13 Kommentare zu „{Nadelbrief} Woche 38: Oberförster“

  1. Das Design dieses Nadelbriefes würde sich perfekt für ein Etui für den Jagdschein eignen, so was gibts nämlich! Mein Mann ist Jäger, allerdings ohne Jagdscheinetui, er hats nicht so mit Lodengrün und Hirschgeweihen! Hege ist ihm aber wichtig und das Beobachten der Tiere, nicht nur der jagdbaren, auch der Vögel und allgemein die Natur. Das Wichtigste an der Jagd ist ihm aber die Nahrungsbeschaffung! Er zerlegt und verarbeitet die erlegten Tiere ausschließlich selbst und nach Möglichkeit wird alles verwertet. Am Gerben ist er leider gescheitert … Das war der späte Kommentar von meiner Seite!! Liebe Grüße, Sigrid

    1. Liebe Sigrid, ich habe die Jägerschaft sicherlich im Blogpost sehr einseitig gesehen, dafür möchte ich mich entschuldigen, Freue mich aber über die Kommentare, die meine Sicht erweitern und mich auf bisher blinde Flecken aufmerksam machen. Danke für deinen Kommentar! Auch „späte“ Kommentare sind sehr wertvoll! lg, Gabi

  2. Hallo Gabi, sehr thementreu hast du dein Nadelbriefchen gestaltet. Ein bißchen bin ich froh, dass du kein Rauhhaar-Fell verwenden konntest, das wär schon ein bißchen schaurig geworden. Für den Stoff mit dem stilisierten Geweih hast du ein gutes Auge bewiesen, auch der Hirschhornknopf ist sehr stilsicher. Super!
    LG eSTe

  3. Das ist ein sehr vielfältiger Brief und der Kontrast zwischen innen und außen sehr spannend. Die Außenseite hat mich tatsächlich auch an einen Trachtenanzug (wie genau steirisch ist google ich gleich) erinnert, innen eher an das grüne Brokatsofa der feinen Dame, die bei meiner Oma gegenüber wohnte (da gab es auch Krickerl an der Wand, auch wenn sie meines Wissens nix damit am Hut hatte) – besonders mag ich es, dass du das Muster als Hirsch aufgenommen hast. Gutes Auge und super gelungen. Jagen … Oberschicht … das ist meilenweit von mir weg … Jagd als Hege verstanden kann ich gut nachvollziehen, ansonsten ist das zum Glück nicht meine Welt. LG Ingrid

    1. Ja, die Jagd als Hege und der Förster als Wächter einer gesunden Wald-Ökologie, sowie die ganze Waldbewirtschaftung als ökonomische Tätigkeit, das fällt mir erst jetzt alles ein. Ist alles ziemlich weit weg von meinem Lebensalltag in der Stadt. lg, Gabi

  4. Ohje, da hast Du ja eine schwierige Beziehung umgesetzt. Den Nadelbrief find ich aber schön.

    Das mit der Jagd in der Oberschicht picke ich mir mal raus: Die Oberschicht investiert in D und wohl auch in Österreich in Grundbesitz, Land und Wald. Jagd ist da aktiver Waldschutz und auch Naturschutz. Ohne Jagd würde sich an der Zusammensetzung der Wälder (Fichte monokultur) nämlich nichts ändern. Das Wild ansich ist nämlich Feinschmecker – Fichte ist ok, aber wenn ich mal die neu gepflanzten Douglasien oder Laubbäume haben kann, nehme ich die und da den Leittrieb. Eine Pflanze kostet aber in der Baumschule ab 2 Euro (nicht Fichte) und da ist sie noch nicht gepflanzt, ca. 20 cm groß und macht noch einen Haufen Arbeit, auch ohne daß ich extra einen Zaun drum bauen muss. Ohne Zaun geht aber nur bei intensiver Bejagung. In D hat man ab ca. 80 ha zusammenhängende Fläche eine sog. Eigenjagd. Ausserdem heisst Jagdschein auch die Befähigung zum Waffenbesitz, was in der heutigen Zeit wieder als recht erstrebenswert geachtet wird.
    Die Monokultur Fichte hat auch ihre Gründe: Reparationszahlungen und Wiederaufbau nach den letzten beiden Kriegen. Unsere Großeltern wollten da schnell wachsendes Bauholz für ihre Enkel schaffen und diese Wälder waren nie für länger als 40 – 50 Jahre gedacht.

    LG
    Martina

    1. Danke, Martina, für diese ganz andere Sicht der Dinge! Mir ist gerade eingefallen, dass einer meiner Volksschul-Kollegen die Försterschule in Bruck an der Mur besucht hat und tatsächlich als Förster arbeitet. Schon lange nichts mehr von ihm gehört. Die Fichte-Monokulturen sind da, wo ich aufgewachsen bin (Land Salzburg) allgegenwärtig und verursachen große Probleme; teilweise Windbruch an ganzen Hängen. Spannend, Deine Einwände, dass Jagd mit Natur- und Waldschutz zu tun hat. lg, Gabi

  5. Oh ja, die Bilder sehe ich sofort vor mir, Lodengrün und Steirer Anzug – alles so schön trächtig, brrr, gruselig, zum Davonlaufen, da ist Dein Hinweis auf das Jagdheft für die Frau auch noch ein Bilderbuch des kläglich-rechten-konservativen FPÖ lästigen-lastigen GRuselkabinetts. Brrr, da schauderte mich.

    Aber schö is as scho gworden, dei Hefterl

    Pfiati
    Christiane

    1. Liebe Christiane, ich habe ja ein gespaltenes Verhältnis zur Tracht. Obwohl ich äußerst selten (eigentlich nie) eine trage, habe ich doch ein wunderschönes Dirndl von meiner Mama „geerbt“, in dem ich auch geheiratet habe. Und das Dirndl als Kleidungsstück finde ich auch schön. Gleichzeitig verstehe ich Dein Gruseln vor dem rechts-konservativen Kontext, in den Tracht bei uns in Österreich regelmäßig gestellt wird, sehr gut. Ein Spannungsfeld. lg, Gabi

      1. Zur Tracht habe ich ein ähnliches Verhältnis: es gibt kaum ein kleidsameres Kleid als ein Dirndlkleid für jedweden Frauentyp. Die Trachtenhochzeit meiner Freundin war eine der schönsten Hochzeiten. aber diese Hochglanz-Couture-Auswüchse bestimmter Kreise finde ich einfach nur zum Davonlaufen. Ich liebe mein selbstgebasteltes Dirndlkleid sehr, auch wenn es nicht mehr passt und ich es hier nie tragen würd. Großes Thema. Liebe Grüße

  6. Ui, so ein Magazin für die jagende Frau ist bestimmt ein herrlicher Fundort für allerlei Absurditäten, sofern man sich nicht in dieser Welt bewegt! Herrlich! Beim nächsten Österreich-Besuch bringe ich mir ein Exemplar mit! Dein Nadelbrief ist entzückend geworden, ich mag die Anklänge an Hirsch, Wald und Natur und auch bei dir die Abwesenheit des Oberförsters 🙂 Grandios! Danke für den schönen Nadelbrief – da wird es bestimmt noch den ein oder anderen geben in den nächsten Wochen, da bin ich mir sicher 😉 LG. Susanne

    1. Ja, ich habe ganz fix vor, nach dem turbulenten Sommer wieder mehr Kontinuität und Stabilität im Herbst und Winter hineinzubringen. Ich bewundere, wie Du das so kontinuierlich von Woche zu Woche schaffst. Wahrscheinlich mache ich einfach zu viele und zu viele unterschiedliche Dinge, sodass immer wieder mal was hintan stehen muss. Aber ich gebe nicht auf! lg, Gabi

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